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Thomas von Aquin und das Verhältnis von Vernunft und Offenbarung

Ich lese derzeit – wie hier schon einmal vermerkt – Thomas‘ von Aquin „Summe gegen die Heiden“. Ich hetze mich aber nicht in der Lektüre. Daher bin ich erst auf Seite 165. Derzeit arbeite ich mich durch Thomas‘ Betrachtungen zum Wesen Gottes. Es ist ja bekannt, dass Thomas nicht sonderlich optimistisch war, dass man über…

Ich lese derzeit – wie hier schon einmal vermerkt – Thomas‘ von Aquin „Summe gegen die Heiden“. Ich hetze mich aber nicht in der Lektüre. Daher bin ich erst auf Seite 165.

Derzeit arbeite ich mich durch Thomas‘ Betrachtungen zum Wesen Gottes. Es ist ja bekannt, dass Thomas nicht sonderlich optimistisch war, dass man über Gott viele positive Fakten zusammensammeln könnte. So schreibt er an einer Stelle von den Namen Gottes, dass „sie von Gott nur metaphorisch ausgesagt werden können“ (I, 30). Und einige Zeilen weiter wird er noch deutlicher, wenn er sagt: „Wir können nämlich von Gott nicht erfassen, was er ist, sondern nur, was er nicht ist und wie anderes sich zu ihm verhält“ (ebd.).

Dieser Vorbehalt hält Thomas aber nicht davon ab, über Gott zu sprechen und zwar auf die Weise, dass er, zum Beispiel, die menschliche Bedingtheit mit der göttlichen Unbedingtheit ins Verhältnis setzt usw. So kommt Thomas unter anderem zu folgenden – sehr positiv klingenden – Aussagen über Gott:

Gott ist gut.

Gott ist einer.

Gott ist unendlich.

Gott ist erkennend.

Usw.

Nun möchte ich hier nicht auf die eigentlichen Inhalte dieser Diskussion eingehen, sondern nur eine hermeneutische Beobachtung wiedergeben, die mir bei der Lektüre kam. Nämlich: Thomas nimmt fast keinen Gebrauch von der Bibel. Oder besser: Die Bibel als die schriftliche Quelle der Glaubensoffenbarung spielt in der „Summe gegen die Heiden“ nur eine affirmative Rolle. Die Bibel treibt die Argumentation nicht voran, sondern steht am Ende eines Gedankengangs als Bestätigung des zuvor Gesagten.

Weil Thomas sein Werk mit Blick auf eine nicht-christliche Leserschaft („Heiden“) verfasste, nutzt er die christlichen Offenbarungsquellen auch entsprechend spärlich. Denn die Anerkennung der Offenbarung setzt Glauben voraus; Vernunft ist hier voraussetzungsloser. Demnach nutzt Thomas Begriffe, Kategorien und Argumentationsmuster, von denen er ausgehen kann, dass sie jedem gebildeten Leser zugänglich sind. Thomas setzt also primär auf die vernünftige Begründung und weniger auf die Überzeugungskraft der Offenbarung.

Das wird in der „Summe“ dort besonders deutlich, wo Thomas eine lange Kette von Argumenten aufbaut, die er mit Worten wie „item“, „adhuc“, „amplius“ verbindet, z.B. um deutlich zu machen, dass Gott einer ist und nicht viele. Erst ganz am Schluss der Passage folgt ein kurzer Absatz, der eingeleitet wird mit dem Satz: „Dieses Bekenntnis der göttlichen Einheit aber können wir auch aus den Worten der Heilgen Schrift entnehmen …“ (I, 42), und es folgt die knappe Nennung einiger Bibelstellen. Das heißt: Die Bibel als die Quelle der schriftlichen Offenbarung bestätigt das, was aus der Vernunft heraus sich so oder so ergibt.

Wie Thomas in der „Summe der Theologie“ vorgeht, ein Werk für einen anderen Addressatenkreis, weiß ich derzeit nicht, da hier noch eine gründliche Lektüre aussteht. Bestechend ist aber, wie bewusst Thomas seine Argumentation mit Blick auf eine (vermutete) spezifische Leserschaft aufbaut. Denn einer, dem die Bibel keine Quelle der Offenbarung ist, dem muss ich auch nicht mit der Bibel kommen. In solch einem Fall ziehen (hoffentlich) andere Argumente.

Antwort auf „Thomas von Aquin und das Verhältnis von Vernunft und Offenbarung”.

  1. Elisabeth Vondrous, Wien

    Nicht nur Thomas übt sich im Ansprechen eines Leser oder Hörerkreises, der ohne die Bibel auskommen muss. Auch Anselm von Canterbury versucht ausschließlich mit Vernunftargumenten zu erklären. Ich war am 2. Februar bei einem interreligiösen Dialog in einem Benediktinerkloster. Alle in Österreich anerkannten Glaubensgemeinschaften waren vertreten. Vernunftargumente aber auch Begriffe „Liebe zum Guten“, „Liebe zum Nächsten“ wurden gut verstanden. Theologische Spezialthemen waren nicht Teil des Dialoges. Aber alle Menschen verstehen was Liebe bzw Barmherzigkeit ist, da alle Menschen ein Gewissen haben, unabhängig ob sie an einen Gott, oder Liebe zu allen fühlenden Wesen nennen (Buddhisten). Die gemeinsame Aufgabe für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt steht für mich eher im Mittelpunkt als Definitionen über Gott. Der jordanische Botschafter sagte mir: „Religions are not the problem, people are“. Die Veranstaltung war durch die UNO initiiert.

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