Über Demütigung und Demütigungen. Notizen zu einem Buch von Ute Frevert.

Vor knapp zwei Jahren habe ich hier schon einmal über den Unterschied von Demut und Demütigung geschrieben. Fälschlicherweise habe ich damals die Demütigung als eine Untugend bezeichnet. Das ist natürlich verkehrt. Während man Demut als Tugend bezeichnen kann, handelt es sich bei der Demütigung nicht um eine Haltung oder Disposition – die man dann in…

Vor knapp zwei Jahren habe ich hier schon einmal über den Unterschied von Demut und Demütigung geschrieben.

Fälschlicherweise habe ich damals die Demütigung als eine Untugend bezeichnet. Das ist natürlich verkehrt. Während man Demut als Tugend bezeichnen kann, handelt es sich bei der Demütigung nicht um eine Haltung oder Disposition – die man dann in Richtung einer Tugend definieren könnte – sondern im weitesten Sinne um eine Tätigkeit. Und zwar um eine Tätigkeit, die andere Menschen und Wesen zu einer Selbsterniedrigung gegen deren Willen zwingt.

Der „Politik der Demütigung“ hat die Historikerin Ute Frevert 2017 ein sehr lesenswertes Buch gewidmet (Frankfurt/Main: Fischer).

Drei Punkte, die mir wichtig erscheinen, möchte ich im Anschluss an die Lektüre des Buches kurz anführen:

  • Demütigungen setzen meist ein Machtgefälle voraus bzw. sie schaffen ein solches Machtgefälle. Eine Person/Gruppe demütigt. Eine Person/Gruppe wird gedemütigt. Der eine zwingt dem anderen gegen dessen Willen eine Handlung, eine Wirklichkeitsaufassung oder ähnliches auf. Das kann im häuslichen Umfeld sein; das kann aber auch im öffentlichen Raum stattfinden. Und das kann durchaus auch mit körperlicher Gewalt einhergehen.
  • Handlungen von Demütigung werden oft und gerne vor Publikum vollzogen. Ja, man könnte fast sagen, dass eine Demütigung erst dann „zieht“, wenn Dritte Zeugen und am besten Mittäter der Demütigung werden. Demütigungen brauchen Publizität, wie Frevert schreibt (52), um bei der gedemütigten Person/Gruppe Scham zu verursachen und das erwähnte Machtgefälle vor aller Augen als soziale Realität zu erzeugen bzw. zu verstärken.
  • Demütigungen greifen die Würde von Menschen/Gruppen an. Demütigungen wollen bewusst erniedrigen, herabsetzen, und sie bereiten so den Weg für einen Würdeentzug. Der gedemütigte Mensch soll sich unwürdig fühlen und von anderen auch so behandelt werden. Demütigungen können also noch umfassendere Untaten vorbereiten, wie wir aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts gelernt haben. Und gerade dort, wo wir verstärkt von Würde anfangen zu sprechen, werden wir uns der in der Wirklichkeit vorkommenen Demütigungen umso mehr bewusst, so Frevert (ebd. 230ff.).

Daran schließen sich für mich zwei Fragen an:

Ist es vielleicht so, dass gerade demütige Menschen besonders empfindlich darauf reagieren, wenn anderen Menschen Demütigungen angetan werden? Und: Ist die Demut Bedingung der Möglichkeit der Identifizierung und Bekämpfung von Demütigung?

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..