Die Demut der Asche

Das trockene Laub zerfällt in der Hitze der Flamme, entzündet sich kurz und zerfällt schwarz in kleine Körner. Asche bleibt zurück.

Wir schätzen die Asche nicht. Asche ist zu nichts gut. Asche ist Sinnbild dafür, dass etwas das war, nicht mehr ist. Dass eine Präsenz Vergangenheit ist. Dass Zerstörung und Vernichtung herrschten. Dass dort, wo Leben war, nun „Schutt und Asche“ sich ausbreiten.

Wir schätzen die Asche nicht, und produzieren sie doch ständig neu. Denn Asche steht für das, was wir Menschen noch am besten können: zerstören, verbrennen, vernichten. Im Anthropozän ist kein Winkel dieser Erde mehr von dieser Zerstörung, diesem Brand, dieser Vernichtung, die Menschen verursachen, ausgenommen. Die natürlich entstehenden Feuer werden von den menschlich fabrizierten Aschenbergen in den Schatten gestellt. Wir haben die Möglichkeit alles zur Asche werden zu lassen. Und oft genug ergreifen Menschen diese Möglichkeit und lassen sie zur erschreckenden Wirklichkeit werden. In der großen Weltpolitik. Im Alltag der kleinen Entscheidungen.

Das Wissen um die viele Asche, die wir auftürmen, sollte eigentlich Demut lehren. Und Umkehr. Doch davon ist selten etwas zu spüren oder zu hören: Dass jemand umkehrt. Dass jemand sich schuldig bekennt. Dass ein Mächtiger und Hochmütiger angesichts der Asche, die er in die Welt hinauswirft, demütig wird. Dem Aufruf des ‚Nie wieder‘ folgt die Realität des ‚Schon wieder‘ nur zu schnell.

Und warum müssen wir erst immer katastrophal viel Asche aufhäufen, um den Ruf nach der Demut laut werden zu lassen? Wir wissen doch mittlerweile um unsere Zerstörungswut. Müssen wir es uns alle paar Jahrzehnte neu beweisen? Müssen wir uns immer wieder neu am eigenen Versagen ergötzen? Liest denn niemand die Geschichtsbücher und hört niemand die Erzählungen aus der Vergangenheit? Wir wissen: Ein heroischer Blick zurück lügt zumeist. Die Gegenwart steht auf blutigen Füßen.

Ich blicke auf das kleine Häufchen Asche vor mir. Und hoffe auf mehr Demut. Au mehr Umkehr. Geschichte und Gegenwart haben genug Asche gesehen.

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