Über den Wunsch nach Politisierung – Notizen zu zehn Impulsen der EKD

Die Kammer für Öffentliche Verantwortung innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) veröffentlichte unlängst eine Schrift unter dem Titel „Konsens und Konflikt: Politik braucht Auseinandersetzung„. Die Schrift ist ganz offensichtlich vor dem Hintergrund der sog. Flüchtlingskrise und der damit einhergehenden Welle von Populismus entstanden. Die Kammer fragt sich daher, ob der Mangel an politischem Konsens zu beklagen oder gar zu begrüßen ist.

1. Die Schrift ist von der Einsicht geprägt, dass in einer pluralen Gesellschaft politische Auseinandersetzungen nicht zwangsläufig in einen Konsens münden. Am Ende einer Debatte dürfen auch bloße Kompromisse stehen. Ja: Der politische Streit an sich hat schon einen Wert, da durch den öffentlich ausgetragenen Streit die durch ihn erreichten demokratischen Entscheidungen an Legitimität gewinnen (vgl. § 3). Die AutorInnen gehen nicht so weit, dass sie der Demokratie eine sakrale Bedeutung zuschreiben. Sie vertreten aber durchaus die Meinung, die Niklas Luhmann einmal mit „Legitimation durch Verfahren“ bezeichnet hat: Die Tatsache, dass die politischen Entscheidungen aus einer demokratischen Debatte erwachsen, verschafft diesen Entscheidungen Legitimität. Die Grenze, ab welcher ein solcher Streit der Demokratie mehr schadet (aufgrund von Demagogie, Diffamierung, Hetze usw.) als dass er ihr nützt, ist freilich kaum eindeutig auszumachen.

2. Die Schrift geht implizit davon aus (vgl. §6), dass jeder Mensch – fast schon in anthropologischer bzw. naturrechtlicher Materialisierung – das mit sich bringt, was er oder sie für die Demokratie braucht: Freiheitsdrang, den Wunsch zum Austausch mit Anderen, die Bereitschaft zum Engagement für das Gemeinwesen. Diese Gaben des Menschen können verschütten, doch sie sind je schon vorhanden, sonst würde die Rede von einer nicht-elitären „Demokratie als Lebensform“ wenig Sinn machen. Eine solche Demokratie ist sehr vorraussetzungsvoll, fast schon idealistisch, da sie sich an jede und jeden mit dem gleichen Anspruch wendet. Die Schrift betont daher auch die Rolle der politische Bildung. Die politische Bildung kann aber letztlich „nur“ das in einem Menschen an politischem Gewissen aufwecken, was in ihm schon angelegt ist.

3. Die Schrift macht Mut zu mehr Streit, weniger Sachzwänge und Alternativlosigkeit, mehr Politisierung. Sie spricht explizit von einer „Intensivierung des demokratischen Wettstreits“ (§6). Sie unterstreicht auch den Grundsatz – für Kirchen nicht immer verständlich – dass Demokratien notwendigerweise „eine bestimmte Auffassung des guten Lebens“ (§6) nicht als verbindlich erklären und Wahrheitsansprüche einhegen. Demokratische Entscheidungen haben einen Zeitkern. Sie sind nicht für die Ewigkeit gemacht, sondern bedürfen der Revision. Aber auch hier stellt sich die Frage nach der Grenze: Haben wirklich alle gesellschaftliche Arrangements als politisierbar zu gelten im Sinne der Fundamentalpolitisierung, von welcher Michael Th. Greven in „Die politische Gesellschaft“ (1999) sprach? Oder gibt es Grenzen der Politisierung? Gibt es Themen, Standpunkte, Normen, von denen mit Recht gesagt werden darf und muss, dass diese nicht Gegenstand von Verhandlungen werden dürfen? Um die Lebensform Demokratie nicht zu gefährden?

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Das Schweigen als Ausdruck des politischen Protest

Auf den ersten Blick ist Schweigen sehr passiv. Ich äußere mich nicht, halte den Mund, überlasse anderen das Wort. Ich gehe nicht in die Initiative und scheine die Verantwortung zu scheuen. Wer schweigt, hat schon verloren, so könnt man denken.

LeserInnen dieses Blogs wissen, dass ich von dieser Art passivem Schweigen hier eigentlich nie schreibe, wenn ich vom Schweigen spreche. Ich schreibe viel mehr von einem produktiven, transformativen, wirkmächtigen Schweigen. Ich schreibe von einem Schweigen, das kontemplativ ist und in diesem Sinne die blanke Dualität von Aktivität und Passivität hinter sich lässt. Das Schweigen, das ich meine, kann trotz aller äußerer Passivität eine unglaubliche Vitalität ausstrahlen. Vielleicht ist dieses Schweigen nicht einfach zu lesen und zu deuten. Es kommt einem durch sich hindurch ausgestülpten Austinschen Sprechakt gleich, einem Schweigeakt.

Der Schweigeakt hat durchaus auch politische Dimensionen. Ein Text der in Großbritannien ansässigen Autorin Sophie Hatzisavviduou unter dem Titel „Disturbing Binaries in Political Thought: Silence as Political Activism“ (Social Movement Studies, 14:5, 509-522) hat diese Dimensionen zum Thema. Anhand eines realen Falles – eine Gruppe von protestierenden Studierenden begegnet der kritisierten Autoritätsperson nicht mit lauten Sprechchören, sondern mit eisernem Schweigen – versucht Hatzisavviduou aufzuzeigen, dass Schweigen durchaus eine Botschaft in sich trägt, auch wenn dies nicht einfach zu decodieren ist.

Hatzisavviduou betont, dass es sehr darauf ankommt, in welches Umfeld das Schweigen fällt. Hans Blumenberg würde dazu sagen, es kommt sehr auf die „rhetorische Situation“ an. Zu manchen Zeiten kann Schweigen politisch äußerst wirkungsvoll sein, manchmal funktioniert es aber auch nicht. Schweigen als politischer Protest ist also situativ flexibel zu handhaben. Es ist taktisch einzusetzen, wie die Autorin feststellt: „It is an embedded event that responds to a challenge.“ (514). Das bewusst gewählte Schweigen wartet auf den „kairos“ (520), der ihm erst zur Wirkmächtigkeit verhilft.

Da Hatzisavviduou das Schweigen als taktische Waffe von Protestierenden ansieht, wundert es auch nicht, dass sie diesem situativen Schweigen eine kritische Natur zuschreibt. Diese „power of silence“ beschreibt die Autorin folgendermaßen:

„Silence provides ordinary citizens with a means of resistance, at least to the degree that it renders them unknowable to their leaders. ‚Keeping silent‘ is a way to resist mechanisms of power (…) .“ (513)

Das Schweigen sei eine taktische und kritische Praxis, die Ungerechtigkeiten aufdecke, so Hatzisavviduou an gleicher Stelle. Schweigen von unten kritisiert die, die oben sind. So wie auch das Schweigen von oben, diejenigen verunsichert, die sich unten wähnen. Da das Schweigen in seiner Kritik nicht eindeutig ist – der Beschwiegene kann sich nie sicher sein, welche Botschaft das Schweigen ihm oder ihr exakt vermitteln soll – kann das Schweigen auch eine transformative Kraft entwickeln. Diese Kraft hat eben nicht nur das gesprochene Wort inne, sondern auch das bewusste Schweigen. Noch einmal Hatzisavviduou im Wortlaut:

„Tactical silence in political life is a critical practice, in the sense that it is a pattern of political engagement that manifests an alternative possibility of being and acting.“ (516)

Schweigen ist also nicht einfach nur Stille. Schweigen folgt auf eine bewusste Entscheidung, auf eine verbale Äußerung zu verzichten. Manche Personen – kontemplative Menschen zum Beispiel – denen die rhetorische Situation des Schweigens auf ihr ganzes Leben aus. Ihr Leben wird zu einem bereden Schweigen, das immer auch als eine Kritik an der wortgewaltigen „Welt“ gedeutet werden kann.

In der Tagespolitik würde sich ein solches dauerhaftes Schweigen totlaufen; da hat Hatzisavvidou recht (516). Dennoch gehören beide Arten des Schweigens zusammen: das taktische Schweigen und das kontemplative Schweigen. Beiden Arten des Schweigens sind stille Zeugen derjenigen Macht, die im Stillen wirkt. Beide Arten des Schweigens unterlaufen unser Selbstverständnis, dass nur gefeilte Rhetorik und Verbales eigentlich Bestand hat. Auch bewusstes Schweigen kann zu Veränderungen führen, politischen und mentalen. Wer Politik treibt sollte also wissen, wann er zu reden und wann er bewusst zu schweigen hat. Denn, so Hatzisavvidou: „Silence and eloquence are interwoven“ (518).

Die Kritik der Kritik – Was könnte man an „Laudato si“ auszusetzen haben?

Ich bereite einen Vortrag über die Enzyklika von Papst Franziskus vor. Darin werde ich darauf eingehen müssen, dass das Lehrschreiben – bei all seiner Weite und Größe – nicht perfekt ist. Darauf haben schon Daniel Deckers und Jan Grossarth in der FAZ hingewiesen. Was könnte man also an Papst Franziskus‘ Schreiben auszusetzen haben?

  1. Lesen wir das Lehrschreiben streng, dann bleibt uns eigentlich nichts anderes übrig als Veganer bzw. Frutarier zu werden. Der Papst gibt uns nämlich keine Richtschnur an die Hand, mit deren Hilfe wir über eine gesunde und maßvolle Nutzung der Natur wählen könnten. Alles ist eins in Gott, von dessen Zärtlichkeit umschlungen und durchdrungen. Bleibt da noch Platz – praktisch und konzeptionell – um das Fleisch von Tieren und die Früchte des Feldes zu verzehren?
  2. Franziskus ist ein Skeptiker der Urbanisierung. Als ehemaliger Erzbischof einer Metropole voller Widersprüche wie Buenos Aires kann man es ihm nicht verübeln. Doch die Stadt ist nicht per se ein Hort der Beziehungslosigkeit und des unachtsamen Umgangs mit der Schöpfung. Moderne Städte zeichnen sich gerade durch – im Vergleich zum Land – kurze Wege, eine gute öffentliche (Verkehrs-) Infrastruktur und durch Möglichkeiten der schöpferischen Selbstentfaltung aus. Nicht die Stadt ist also das Übel, sondern die Art und Weise, wie diese Stadt geplant, gebaut und gelebt wird. Nicht umsonst ist das eschatologische Grundmotiv urbaner Natur: das himmlische Jerusalem. Das anerkennt auch der Papst (§ 243).
  3. Franziskus beschreibt eine gute Schöpfung und die Liebe Gottes darin. „Die Natur ist voll von Worten der Liebe“ (§ 225). Theologisch ist dies gut biblisch und richtig. Doch Fragen bleiben: Was ist mit den „natürlichen Übeln“, die in der Schöpfung, wie wir sie heute erfahren, zuhauf vorkommen: die natürliche Nahrungskette, der Vulkanausbruch, das Erdbeben? All diese Dinge gehen mit dem plötzlichen Tod vieler Schöpfungen einher. Wie ist dies zu bewerten?
  4. Papst Franziskus anerkennt Wissenschaft und Technik als „großartiges Produkt gottgeschenkter Kreativität“ (§ 102). Dennoch wird in seinen Ausführungen überdeutlich, dass er der menschlichen Neugier sehr skeptisch gegenübersteht. Mit dieser menschlichen Grundeigenschaft, der kirchlicherseits bis in die Neuzeit hinein mit gehörigem Misstrauen begegnet wurde, kann sich „Laudato si“ nicht so recht anfreunden. Was ist der (moderne) Mensch aber ohne seine Neugier? Möchte der Papst letztlich einen neuen, vor lauter Maßhalten langweilig gewordenen Menschen?

So weit meine Kritik an der Systemkritik des Papstes. Freilich gilt:

Nur der Einfaltspinsel würde diese Kritik der Kritik dazu nutzen, dem scharfzüngigen und couragierten Plädoyer des Papstes aus dem Weg zu gehen.

(Siehe auch den Beitrag Das Wesen der Dinge)

Wie sich die Politikwissenschaft überflüssig machen kann: Sieben einfach umzusetzende Empfehlungen

1. Politikwissenschaft muss jeden theoretischen Anspruch vermeiden!

Die Signale sind eindeutig: Gefragt ist von der Politikwissenschaft keine ausufernde Arbeit am theoretischen Wolkenkuckucksheim, sondern gefragt sind konkrete Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen. Terrorismus, Klimawandel, Migration, failed states, Finanzturbulenzen, … : Die Liste der aktuellen Probleme ist lang. Politikwissenschaft macht sich dann dienstbar und unverzichtbar, wenn sie auf diese Probleme möglichst konkrete Lösungsvorschläge ausformuliert; wenn sie Politikberatung ist. Empfehlenswert ist dabei das Format von policy papers, die den Umfang von zwei oder drei Dutzend Seiten nicht überschreiten sollten. Theorie lenkt von den eigentlichen Problemen und ihren Lösungen ab und hat daher – auch mit Blick auf die Förderfähigkeit – wenig Zukunft. Die Zeit, die man mit der Lektüre von Theorietexten zubringt kann effektiver investiert werden.

2. Wenn Theorie, dann nur als Theoriemix; mache deutlich, dass du keinen theoretischen Standpunkt hast!

Es ist nachvollziehbar, wenn ambitionierte Politikwissenschaftler auf eine gewisse theoretische Einordnung ihrer konkreten Empfehlungen und Vorschläge nicht verzichten wollen. Diese Einordnung sollte aber in der Form eines unverbindlichen Theoriemix vorgenommen werden. Dabei werden verschiedene theoretische Versatzstücke miteinander kombiniert, die als möglichst dienlich für eine bestimmte Fragestellung angesehen werden. Unbedingt zu vermeiden ist ein festgefahrener theoretischer Standpunkt, der vielleicht sogar noch einen biographischen Hintergrund im Leben des Politikwissenschaftlers aufweist. Solch eine theoretische Festlegung, die sich gar über mehrere Publikationen hinweg zieht, macht es dem Wissenschaftler unmöglich, sich unvoreingenommen von den empirischen Phänomenen einnehmen zu lassen.

3. Politikwissenschaft sollte möglichst nicht historisch orientiert sein!

Auch eine historische Grundlegung politikwissenschaftlicher Arbeit ist zu vermeiden. Die Politikwissenschaft ist vorrangig eine synchrone Wissenschaft, d.h. sie interessiert sich für aktuelle Probleme. Die Vergangenheit und das diachrone Forschen gehört den Historikern. Die Geschichte ist abgeschlossen. Politikwissenschaft bewegt sich aber in der Gegenwart. Überhaupt ist es ein postmodernes Fakt, dass geschichtliche Kontinuität eine Fiktion ist und man aus der Vergangenheit kaum Schlüsse auf die Gegenwart ziehen kann. Sie ist keine Lehrmeisterin für die Herausforderungen, mit denen eine globalisierte, post-moderne Welt uns konfrontiert. In der eigenen Freizeit mag der Politikwissenschaftler das eine oder andere zeitgeschichtliche Buch lesen, sozusagen zur wohlwollenden Kenntnisnahme. Solche Lektüre sollte aber keinen größeren Einfluss auf seine eigene alltägliche Forschungsarbeit haben.

4. Politikwissenschaft blüht auf, wenn sie nur in Fachzeitschriften veröffentlicht!

Für das Vorankommen eines politikwissenschaftlichen Nachwuchsforschers sind letztlich nur Veröffentlichungen in englischsprachigen, peer-reviewed Fachzeitschriften von Belang. Daher ist es legitim sich auf solche Veröffentlichungen zu beschränken. Wenn es zum eigenen Forschungsgebiet keine spezielle Fachzeitschrift gibt, dann gründe man sie eben, organisiere sich ein Redaktionskomitee, einen  Beirat und veröffentlicht die Artikel darin. Es ist unerheblich, ob die eigenen Aufsätze gelesen werden; wichtig ist das Fakt der Veröffentlichung. Beiträge in sogenannten Publikumszeitschriften sind Kür, keine Pflicht. Die Kommunikation mit einer weiteren Öffentlichkeit kann anderen überlassen werden (der universitätseigenen Image-Broschüre, dem reichen Stab der akademischen Verwaltung, dem Feuilleton der Tageszeitungen, usw.).

5. Politikwissenschaft strebt eine möglichst umfassende Mathematisierung ihrer Methoden an!

Wir müssen von der angelsächsischen Politikwissenschaft lernen: Relevanz kann die Politikwissenschaft nur dann erreichen, wenn sie möglichst exakte Forschungsergebnisse vorlegt. Exaktheit erreicht man mittels mathematischer Methoden. Die Ökonomisierung der Gesellschaft gelang auch dadurch so reibungslos, da die Wirtschaftswissenschaften ihre geisteswissenschaftliche und historische Wurzeln zurückgelassen haben und sich fast vollständig mathematisiert haben. Dadurch konnten der Gesellschaft exakte Daten und Vorhersagen über wirtschaftliche Vorgänge geliefert werden. Die Politikwissenschaft muss es der Wirtschaftswissenschaft nachmachen, um aussagekräftige Einschätzungen und Prognosen über das politische Geschehen auf der Welt liefern zu können. Die dichten Beschreibungen, ausufernden Fallstudien und theorieschweren Essays zählen zur schöngeistigen Literatur, sind nicht wirklich wissenschaftlich und können den Autoren vom Merkur und von Sinn und Form überlassen werden.

6. Kümmere dich nicht um die Wahrheit!

Wahrheitsfragen – jenseits der mathematisch lösbaren – sind wissenschaftlich unseriös und sind tunlichst zu vermeiden. Nach der Wahrheit fragen die Theologen, deren Platz an einer modernen Universität so oder so fragwürdig ist. Politikwissenschaftler geben sich nicht mit Wahrheit, unbedingten Forderungen, Postulaten oder Absolutem ab. Sie bearbeiten jene Fragen, die im empirisch gesicherten Bereich liegen und deren Beantwortung nur eine Frage der Zeit ist. Politikwissenschaftler gehören nicht zu den Produzenten von Normen in unserer Gesellschaft. Wenn überhaupt, dann orientiert sich eine solche Normenproduktion an den gesellschaftlich akzeptierten Mustern und Vorbildern. Auf keinen Fall ist eine wie auch immer geartete „Wahrheit“ in Stellung zu bringen gegen den gesellschaftlichen Konsens. Was die Politikwissenschaft interessiert ist nicht die nebulöse Wahrheit, sondern die faktische Richtigkeit und mathematische Exaktheit.

7. Kritik ist alles. Aufbauarbeit überlassen wir anderen!

Vielleicht gibt es doch den einen oder anderen Politikwissenschaftler, dessen Anspruch darüber hinaus geht, universitär verankerte Begleitmusik zur Tagespolitik zu sein. Diese Art Spezies lässt sich auch bei rigider Auslese in der Nachwuchsgewinnung nie ganz verhindern. Diesen theoretischen Anspruch gilt es einzuhegen und auf mehr oder minder unschädliches Terrain einzugrenzen. Solche ambitionierte Politikwissenschaftler ermutige man deshalb dazu, die eigene Wissenschaft als eine reine Kritik zu verstehen. Ja: Politikwissenschaft übt Kritik an den herrschenden Zuständen. Ja: Politikwissenschaft soll eingespielte Praktiken hinterfragen. Doch das ist auch alles. Man hüte sich davor, Politikwissenschaft als eine theoriestarke, historisch bewanderte und an unzeitgemäßen Wahrheitsfragen interessierte Verstehenswissenschaft zu beschreiben. Die Aufgabe der Politikwissenschaft ist folgende: Mittels exakter Faktenerhebung erzählen wir den Leuten, wie schlecht die Welt ist. Hier und da üben wir Kritik. Wir sind aber nicht dafür da, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dieses Werk überlassen wir den Pfarrern, Entwicklungshelfern, den NGOs und anderen guten Menschen.