1. Politikwissenschaft muss jeden theoretischen Anspruch vermeiden!
Die Signale sind eindeutig: Gefragt ist von der Politikwissenschaft keine ausufernde Arbeit am theoretischen Wolkenkuckucksheim, sondern gefragt sind konkrete Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen. Terrorismus, Klimawandel, Migration, failed states, Finanzturbulenzen, … : Die Liste der aktuellen Probleme ist lang. Politikwissenschaft macht sich dann dienstbar und unverzichtbar, wenn sie auf diese Probleme möglichst konkrete Lösungsvorschläge ausformuliert; wenn sie Politikberatung ist. Empfehlenswert ist dabei das Format von policy papers, die den Umfang von zwei oder drei Dutzend Seiten nicht überschreiten sollten. Theorie lenkt von den eigentlichen Problemen und ihren Lösungen ab und hat daher – auch mit Blick auf die Förderfähigkeit – wenig Zukunft. Die Zeit, die man mit der Lektüre von Theorietexten zubringt kann effektiver investiert werden.
2. Wenn Theorie, dann nur als Theoriemix; mache deutlich, dass du keinen theoretischen Standpunkt hast!
Es ist nachvollziehbar, wenn ambitionierte Politikwissenschaftler auf eine gewisse theoretische Einordnung ihrer konkreten Empfehlungen und Vorschläge nicht verzichten wollen. Diese Einordnung sollte aber in der Form eines unverbindlichen Theoriemix vorgenommen werden. Dabei werden verschiedene theoretische Versatzstücke miteinander kombiniert, die als möglichst dienlich für eine bestimmte Fragestellung angesehen werden. Unbedingt zu vermeiden ist ein festgefahrener theoretischer Standpunkt, der vielleicht sogar noch einen biographischen Hintergrund im Leben des Politikwissenschaftlers aufweist. Solch eine theoretische Festlegung, die sich gar über mehrere Publikationen hinweg zieht, macht es dem Wissenschaftler unmöglich, sich unvoreingenommen von den empirischen Phänomenen einnehmen zu lassen.
3. Politikwissenschaft sollte möglichst nicht historisch orientiert sein!
Auch eine historische Grundlegung politikwissenschaftlicher Arbeit ist zu vermeiden. Die Politikwissenschaft ist vorrangig eine synchrone Wissenschaft, d.h. sie interessiert sich für aktuelle Probleme. Die Vergangenheit und das diachrone Forschen gehört den Historikern. Die Geschichte ist abgeschlossen. Politikwissenschaft bewegt sich aber in der Gegenwart. Überhaupt ist es ein postmodernes Fakt, dass geschichtliche Kontinuität eine Fiktion ist und man aus der Vergangenheit kaum Schlüsse auf die Gegenwart ziehen kann. Sie ist keine Lehrmeisterin für die Herausforderungen, mit denen eine globalisierte, post-moderne Welt uns konfrontiert. In der eigenen Freizeit mag der Politikwissenschaftler das eine oder andere zeitgeschichtliche Buch lesen, sozusagen zur wohlwollenden Kenntnisnahme. Solche Lektüre sollte aber keinen größeren Einfluss auf seine eigene alltägliche Forschungsarbeit haben.
4. Politikwissenschaft blüht auf, wenn sie nur in Fachzeitschriften veröffentlicht!
Für das Vorankommen eines politikwissenschaftlichen Nachwuchsforschers sind letztlich nur Veröffentlichungen in englischsprachigen, peer-reviewed Fachzeitschriften von Belang. Daher ist es legitim sich auf solche Veröffentlichungen zu beschränken. Wenn es zum eigenen Forschungsgebiet keine spezielle Fachzeitschrift gibt, dann gründe man sie eben, organisiere sich ein Redaktionskomitee, einen Beirat und veröffentlicht die Artikel darin. Es ist unerheblich, ob die eigenen Aufsätze gelesen werden; wichtig ist das Fakt der Veröffentlichung. Beiträge in sogenannten Publikumszeitschriften sind Kür, keine Pflicht. Die Kommunikation mit einer weiteren Öffentlichkeit kann anderen überlassen werden (der universitätseigenen Image-Broschüre, dem reichen Stab der akademischen Verwaltung, dem Feuilleton der Tageszeitungen, usw.).
5. Politikwissenschaft strebt eine möglichst umfassende Mathematisierung ihrer Methoden an!
Wir müssen von der angelsächsischen Politikwissenschaft lernen: Relevanz kann die Politikwissenschaft nur dann erreichen, wenn sie möglichst exakte Forschungsergebnisse vorlegt. Exaktheit erreicht man mittels mathematischer Methoden. Die Ökonomisierung der Gesellschaft gelang auch dadurch so reibungslos, da die Wirtschaftswissenschaften ihre geisteswissenschaftliche und historische Wurzeln zurückgelassen haben und sich fast vollständig mathematisiert haben. Dadurch konnten der Gesellschaft exakte Daten und Vorhersagen über wirtschaftliche Vorgänge geliefert werden. Die Politikwissenschaft muss es der Wirtschaftswissenschaft nachmachen, um aussagekräftige Einschätzungen und Prognosen über das politische Geschehen auf der Welt liefern zu können. Die dichten Beschreibungen, ausufernden Fallstudien und theorieschweren Essays zählen zur schöngeistigen Literatur, sind nicht wirklich wissenschaftlich und können den Autoren vom Merkur und von Sinn und Form überlassen werden.
6. Kümmere dich nicht um die Wahrheit!
Wahrheitsfragen – jenseits der mathematisch lösbaren – sind wissenschaftlich unseriös und sind tunlichst zu vermeiden. Nach der Wahrheit fragen die Theologen, deren Platz an einer modernen Universität so oder so fragwürdig ist. Politikwissenschaftler geben sich nicht mit Wahrheit, unbedingten Forderungen, Postulaten oder Absolutem ab. Sie bearbeiten jene Fragen, die im empirisch gesicherten Bereich liegen und deren Beantwortung nur eine Frage der Zeit ist. Politikwissenschaftler gehören nicht zu den Produzenten von Normen in unserer Gesellschaft. Wenn überhaupt, dann orientiert sich eine solche Normenproduktion an den gesellschaftlich akzeptierten Mustern und Vorbildern. Auf keinen Fall ist eine wie auch immer geartete „Wahrheit“ in Stellung zu bringen gegen den gesellschaftlichen Konsens. Was die Politikwissenschaft interessiert ist nicht die nebulöse Wahrheit, sondern die faktische Richtigkeit und mathematische Exaktheit.
7. Kritik ist alles. Aufbauarbeit überlassen wir anderen!
Vielleicht gibt es doch den einen oder anderen Politikwissenschaftler, dessen Anspruch darüber hinaus geht, universitär verankerte Begleitmusik zur Tagespolitik zu sein. Diese Art Spezies lässt sich auch bei rigider Auslese in der Nachwuchsgewinnung nie ganz verhindern. Diesen theoretischen Anspruch gilt es einzuhegen und auf mehr oder minder unschädliches Terrain einzugrenzen. Solche ambitionierte Politikwissenschaftler ermutige man deshalb dazu, die eigene Wissenschaft als eine reine Kritik zu verstehen. Ja: Politikwissenschaft übt Kritik an den herrschenden Zuständen. Ja: Politikwissenschaft soll eingespielte Praktiken hinterfragen. Doch das ist auch alles. Man hüte sich davor, Politikwissenschaft als eine theoriestarke, historisch bewanderte und an unzeitgemäßen Wahrheitsfragen interessierte Verstehenswissenschaft zu beschreiben. Die Aufgabe der Politikwissenschaft ist folgende: Mittels exakter Faktenerhebung erzählen wir den Leuten, wie schlecht die Welt ist. Hier und da üben wir Kritik. Wir sind aber nicht dafür da, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dieses Werk überlassen wir den Pfarrern, Entwicklungshelfern, den NGOs und anderen guten Menschen.
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