Henry David Thoreau on Walking, Part 2

Henry David Thoreau loved to walk. But not only did he love to walk. Thoreau was also aware of the fact that walking always is an exercise in practical freedom. However, there are many obstacles that may be in the way of the rambler; obstacles not so much of the natural kind, obstacles more of the human kind: fences, roads, traps, boundaries, borders etc. Obstacles to freedom.

In a way, it’s all there in the following quote: the demand for the freedom to roam, a critique of gated communities and the nation state, a migration ethics of sort. In 1851 America.

Thoreau wrote in his Journal on 12. February 1851:

„I trust that the walkers of the present day are conscious of the blessings which they enjoy in the comparative freedom with which they can ramble of the country & enjoy the landscape – anticipating with compassion that future day when possibly it will be partitioned off into so called pleasure grounds where only a few may enjoy the narrow & exclusive pleasure which is compatible with ownership. When walking over the surface of Gods earth – shall be construed to mean trespassing on some gentleman’s grounds. When fences shall be multiplied & man traps & other engines invented to confine men to the public road. I am thankfull that we have yet so much room in America.“ (Journal, 12. February 1851)

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Henry David Thoreau on ‚Walking‘

Henry David Thoreau wrote on 10. January 1851 in his Journal in a true romantic and transcendentalist manner:

“ I have met with but one or two persons in the course of my life who understood the art taking walks daily – not exercize – the legs or body merely – nor barely to recruit the spirits but positively to exercise both body & spirit – & to succeed to the highest & worthiest ends by the abandonment of all specifics ends.- who had a genius, so to speak sauntering- – And this word saunter by the way is happily derived ‚from idle people who roved about the country (in the middle ages) and asked charity under pretence of going à la sainte terre,‘ to the holy land – till perchance the children exclaimed There goes a sainte terrer a holy lander- They who never go to the holy land in their walks as they pretend are indeed mere idlers & vagabonds- (two leaves missing).“

(Henry David Thoreau: Journal, Vol. 3: 1848-1851, Princeton University Press, 1990, 176, idiosyncratic spelling retained)

Who would not want have so much time at hand as Thoreau who as a surveyor walked the hills and valleys of Concord county professionally? Still, a fine statement of Thoreau’s habit of turning something ordinary – the German Alltag – into something extraordinary, holy, spiritual.

Henry David Thoreaus Journal – Vom Lesen fremder Tagebücher

Die Tagebücher von lebenden Menschen lesen geht nicht. Das gleicht der Schnüffelei und erschüttert jedes Vertrauen. Anders ist es bei Tagebüchern toter Menschen.

Henry David Thoreau ist nun schon seit über 150 Jahren tot. Seine Tagebücher werden in einer sorgsamen (und kostspieligen) Ausgabe von der Princeton University Press herausgegeben. Alle paar Jahre folgt ein neuer Band. Stück für Stück arbeite ich mich durch diese Bände hindurch. Derzeit lese ich den Band Nr. 3, der den Zeitraum 1851/1852 umfasst.

Henry David Thoreau ist ein sehr detailreicher, fast schon manieristischer Schreiber. Er kann über lange Passagen hinweg Natureindrücke oder Reisebeschreibungen wiedergeben, die keinem klaren Spannungsbogen folgen. Deshalb tut man gut daran, sich für die Lektüre seines Tagebuchs viel Zeit zu nehmen. Vor zehn Jahren begann ich den ersten Band. Erst jetzt bin ich beim dritten angekommen, der vierte wurde soeben beim Buchhändler meines Vertrauens bestellt. Und es stehen noch viele Bände vor mir; Princeton University Press hat bislang acht Bände veröffentlicht und hat damit noch lange nicht die gesamten Tagebucheinträge abgedeckt. Thoreau war ein sehr eifriger Tagebuchschreiber.

Das Tagebuch war für Thoreau unter anderem Notizbuch für spätere Publikationen. Viele Passagen aus den Tagebüchern finden sich unter seinen Publikationen wieder. Über Jahre hinweg pflegte er die Praxis, die Seiten seines Tagebuchs, die er für andere Veröffentlichtungen benötigte, einfach dem Tagebuch – physisch – zu entnehmen. In der Edition der Princeton University Press stehen daher öfter redaktionelle Einschübe wie „32 pages missing“. Ab Anfang der 1850er Jahre beendete Thoreau diese Praxis aber. Das Tagebuch wird fortan zu dem Ort seiner vertieften Selbstreflexion und seines Schaffens. Es wird immer opulenter, ausuferender, sehr ermüdend für den, der in Eile ist, höchst aufschlussreich für den Langsamleser.

Wer fremde Tagebücher liest, der begleitet einen Menschen durch seine Tage. Im Falle von Henry David Thoreau liegen diese Tage über 150 Jahr zurück, wodurch der Leser nicht nur das Leben eines Einzelnen mitliest, sondern dieses Leben auch noch in seiner Zeit kennenlernt. Fremde Tagebücher aus früheren Zeiten sind folglich eine gute Übung der Dezentrierung: die eigene Position, die eigene Zeit, das Hier und Jetzt wird relativiert, entthront. Der Leser fremder Tagebücher wird daran erinnert: Es gab auch schon zu anderen Zeiten ein „Hier und Jetzt“, Augenblicke, die es festzuhalten sich lohnte, Dinge, die nicht vergessen werden sollten.

Bei Thoreau sind diese Augenblicke, diese Dinge sehr kleinteilig. Ein Vogelflug, das Wachstum eines Baumes, eine Liste von Baustoffen: für den Transzendentalisten – zu welchen Thoreau allgemein gezählt wird – sind diese Details wichtig und erinnerungswert. Weshalb räumt er ihnen in seinem Tagebuch so weiten Raum ein? Weil sein Tagebuch für ihn noch weit mehr ist als ein Notizblock. Er hält am 13. Januar 1841, also in den frühen Jahren seiner Schreibtätigkeit, fest:

„We should offer up our perfect thoughts to the gods daily – our writing should be hymns and psalms. Who keeps a journal is purveyor for the Gods. There are two sides to every sentence; the one is contiguous to me, but the other faces the gods, and no man ever fronted it. When it utter a thought I launch a vessel which never sails in my haven more, but goes sheer off into the deep. Consequently it demands a godlike insight – a fronting view, to read what was greatly written.“ (Journal Vol. 1, 1837-1844, PUP 1981, 220).

Das Führen seines Tagebuchs hat für Thoreau somit spirituelle Qualität. Diese vertikale, transzendente Dimension des Schreibens ist bei ihm nicht mit einem materialen Gottesbegriff verbunden; dafür war er als Transzendalist zu undogmatisch eingestellt. Doch der Akt des Schreibens ist mehr als ein bloßes Aufzeichnen. Die Götter sind beim Verfassen des Tagebuchs sein Gegenüber: „They are my correspondent to whom daily I send off this sheet post-paid“ (ebd. 259).

Henry David Thoreaus Tagebuch vermittelt also nicht nur einen Eindruck von einer historischen Person in seiner Zeit. Das Tagebuch dieses Fremden ermutigt dazu, das Schreiben der eigenen Geschichte als einen Ausdruck höherer Ideen zu verstehen. Oder andersherum: Ideengeschichte und Biographie sind eng miteinander verwoben. Und ein Tagebuch ist der Seismograph für alle Bewegungen und Erschütterungen in diesem Gewebe.

Das Naturgesetz und die Gesetze der Natur

Bislang sprach ich vom Naturrecht, wenn es darum ging, eine Norm zu beschreiben, die objektiv Bestand hat, aber außerhalb der menschlichen Formulierungsmacht liegt. In diesem Sinne kann der Begriff Naturrecht das gleiche bedeutenden wie der Begriff Naturgesetz. Es ist eben das „natürliche“ Gesetz und nicht das positive, von Menschen entschiedene Gesetz. Das Naturgesetz als eine moralisch bindende Norm ist vor den Menschen da und wird auch noch nach den Menschen fortbestehen (auch wenn es ohne die Existenz von handelnden Menschen praktisch wenig Sinn macht). Selbstverständlich kann man von dem Naturrecht aber auch auf andere Weise sprechen: nicht vom Naturgesetz im Singular, sondern von den Gesetzen der Natur, den Naturgesetzen. Der Plural „Naturgesetze“ verweist in der deutschen Sprache eindeutig auf physikalische Vorgänge. Auch diese haben objektiv Bestand, auch sie liegen außerhalb der menschlichen Machbarkeit. Doch die Naturgesetze sind keine Norm, welche den Menschen moralisch bindet, sondern es sind (in aller Regel) unveränderliche Tatbestände bzw. Prozesse, die den Menschen und seine Umwelt physikalisch binden: die Schwerkraft oder die Geschwindigkeit des Lichts. In der Entwicklung des naturrechtlichen Denkens kommt es, so Ruzicka im Historischen Wörterbuch der Philosophie (Naturrecht: 586), bei Thomas Hobbes zu einer Wendung: Das Naturgesetz ist für Hobbes nicht länger vorrangig eine normative Größe, sondern vielmehr eine beobachtbare Größe. Ruzicka schreibt:

„Wie Newton aus den galileischen Fallgesetzen die Planetenbewegungen als Resultanten des zentrifugalen Bewegungsimpulses und der zentripetalen Massenanziehung erklärte, so erklärt Hobbes den Staat aus den beiden Grundkräften des Menschen, dem zentripetalen Machttrieb, der den Krieg aller gegen alle verursacht, und der zentrifugalen Furcht vor diesem Zustand (…)“ (ebd.).

Der Begriff des Naturgesetzes wird von Hobbes instrumentell verstanden, so Ruzicka; als Gebot der rechten Vernunft, die einem sagt, welche Mittel anzuwenden sind, wenn ein bestimmtes Ziel ins Auge gefasst wurde. Naturrecht: Das ist nun nicht mehr moralisch bindend, sondern eine quasi physikalische Konstante, ein Gesetz der Natur, das auf den Staat hin angewendet wird. Zwischen dem einen – dem moralischen Naturgesetz – und den anderen – den physikalischen Naturgesetzen – klafft also nur scheinbar ein unüberbrückbarer Graben. Die Erfüllung des Naturgesetzes (bzw. Naturrechts) führt den Menschen – in einer bestimmten Lesart – zur Vollkommenheit im moralischen Handeln, beruht aber, wie jedes Handeln, auf einer persönlichen Entscheidung. Den physikalischen Naturgesetzen kann der Mensch jedoch nicht entrinnen. Er kann sich nicht für sie entscheiden. Die Naturgesetze geben den Menschen nicht frei, solange man nicht, wie unlängst Matthew McConaughey in dem Film „Interstellar“, in ein Schwarzes Loch fliegt. Nach Ruzicka hat Hobbes den sozialen Zustand des Staates jedoch im Sinne physikalischer Naturgesetze beschrieben. Physik und Moral rücken zusammen. Ein weiteres Beispiel dieser Art der Übertragung physikalischer Gesetze auf soziale Prozesse findet sich bei Henry David Thoreau. In seinem Tagebuch aus dem Jahr 1844 schreibt Thoreau:

„All things are in revolution it is the one law of nature by which order is preserved, and time itself lapses and is measured“ (sic!) (H.D. Thoreau: Journal, Vol. 2: 1842-1848, Princeton, 1984, 102.)

Thoreau spricht in diesem Kontext von sozialen Zusammenhängen, die einer ständigen Veränderung unterworfen seien. Mit Hinweis auf die Zeit spricht Thoreau aber auch viel grundsätzlicher von der „revolution“ als dem einen Gesetz der Natur. Dass die Dinge generell in Bewegung sind, das ist für Thoreau ein bzw. das einzige Naturgesetz. Dieses Gesetz bindet den Menschen nicht moralisch. Dieses Gesetz ist Teil der dem Menschen vorlaufenden Ordnung; der sozialen Ordnung, aber auch der Ordnung in einem umfassenden, kosmologischen Sinn. Die Frage ist, was man mit solch einem Naturgesetz anfangen kann. Kann man mehr tun, als dessen allmächtige Wirkmacht schicksalsergeben zur Kenntnis zu nehmen?

H. D. Thoreau: ein früher Blogger

Vor 175 Jahren, am 22. Oktober 1837, schreibt Henry David Thoreau als erste Notiz in sein Tagebuch: „‚What are you doing now?‘ he (wahrscheinlich R. W. Emerson, B.C.) asked, ‚Do you keep a journal?‘ – So I make my first entry to-day.“ (Thoreau, H.D. 1981: Journal, Vol. 1: 1837-1844, Princeton University Press: Princeton, S.5.)

Und vor sechs Monaten, am 21. April 2012, begann ich mit eben dieser Notiz „Rotsinn“.
Nicht, daß ich denken würde, daß ich mit H.D. Thoreau gleich ziehen wollte oder könnte. Das wäre vermessen. Thoreaus Tagebuch füllt inzwischen mehrere sorgsam editierte Bände von enormer Länge. Thoreau nutzte sein Tagebuch als eine Art Werkheft für seine Veröffentlichungen. Dementsprechend gibt es zwischen dem Tagebuch und den von Thoreau zeit seines Lebens veröffentlichten Büchern viele Parallelen. Eigenplagiat könnte man so etwas heute nennen.
 
Was für Thoreau sein Tagebuch war, das ist für viele Menschen heute der Blog. Mit dem Unterschied, daß der Blog nicht erst posthum an die Öffentlichkeit geht, sondern unmittelbar Öffentlichkeit herstellt. Zum Guten oder zum Schlechten. Von daher kann man Thoreau etwas verstiegen als einen frühen Blogger bezeichnen. Damit hätte man eigentlich Grund genug heute auch den Weltblogtag zu feiern. Aber wahrscheinlich gibt es diesen ja schon längst.
 
Thoreau thematisiert in seinem Tagebuch das ganze Spektrum seiner Welterfahrungen: Reiseberichte, Naturerscheinungen, sein „Walden“-Jahr, philosophische Gedanken, Begegnungen mit den Großen und Kleinen seiner Zeit, Anmerkungen zur eigenen Lektüre, politische Notizen. Kurzum: Es sind Erfahrungen des Alltags eines gänzlich außeralltäglichen Menschen.
 
Das Tagebuch-Schreiben hat für Thoreau auch eine spirituelle Dimension. Am Mittwoch, den 13. Januar 1841 schreibt er: „We should offer up our perfect thoughts to the gods daily – our writing should be hymns and psalms. Who keeps a journal is purveyor for the Gods.“ (Thoreau, H.D. 1981: Journal, Vol. 1: 1837-1844, Princeton University Press: Princeton, S.220.)
 
Wo kämen wir hin, wenn jeder Blogger heute sein öffentliches Tagebuch so führen würde, wie Henry David Thoreau es vor 175 Jahren tat  …