Erfahrungen eines Bloggers nach 10 Jahren Schreibarbeit

Seit 10 Jahren blogge ich auf und als „rotsinn“. Begonnen habe ich im April 2012 meinen „ideengeschichtlichen Blog eines Laiendominikaners“ mit einem Zitat von Henry David Thoreau, das vom Anfang seiner Tagebücher stammt:

„What are you doing now?“ he asked, „Do you keep a journal?“ – So I make my first entry to-day. (Thoreau, H.D. 22. Oktober 1837)

Weiterhin gilt, dass ich eher als Laiendominikaner schreibe als über dominikanische Themen. Darin zeigt sich wohl auch mein kirchliches Grundverständnis, nämlich dass wir viel eher als konkrete Menschen Zeugnis von unserem Glauben ablegen als durch die Besetzung von bestimmten spirituellen Themen. Idealerweise, freilich, gehört beides zusammen.

Weiterhin gilt, dass ich mich für die Ideengeschichte von Glaube und Politik interessiere. Es ist nicht immer leicht, das einmal gewählte Profil eines Blogs über mehrere Jahre beizubehalten. Ich möchte nicht sagen, dass es mir immer gelungen ist, aber ich habe stets versucht, nicht allzu weit abzuschweifen. Vor allem achte ich darauf, nicht zu viel „gläubiges“ Material zu verarbeiten.

Weiterhin versuche ich eine poetische, leicht spielerische Art der Kommunikation zu pflegen. Erkenntnis über Welt und Gott erwächst auch über Assoziationen, Wortklänge, Bildworte, Lücken usw. Diese Art der poetischen Kommunikation wurde mir, das fällt mir auf, mit den Jahren immer wichtiger.

Weiterhin gilt, dass mich die Texte, die ich im Rahmen von wissenschaftlichen oder auch feuilletonistischen Recherchen lese, zu Beiträgen auf dem Blog inspirieren. Daher hat sich über die Jahre eine Bandbreite von Themenfelder auf rotsinn angesammelt: Naturrecht, Rowan Williams, Augenblick, Demokratie, Gelassenheit, Sinn, Gebet, Poesie usw.

Weiterhin gilt, dass ich mich für den geschichtlichen Werdegang von Ideen und Praktiken interessiere. Alles kommt irgendwo her. Und nur, wenn wir die Geschichte der Ideen und Praktiken besser verstehen, können wir auch etwas Belastbares über deren Gegenwart wissen.

Von daher rührt auch meine Abneigung gegen eine akualistische, emotionalisierte Kommentierung der Gegenwart. Es gilt immer die Contencance zu bewahren. Und wenn man mal zu einer aktuellen Entwicklung pointiert Stellung nimmt, dann hoffentlich unter Bezug auf einen ideengeschichtlich abgeleiteten Erhellungszusammenhang.

Manche Texte von mir sind Schnellschüsse und verdienen kaum der Beachtung. Auf andere Texte bin ich auch noch nach Jahren Stolz, so z.B. auf einen Beitrag zum versteckten protestantischen Kirchenbild der katholisch Strukturkonservativen oder auf die verschiedenen Überlegungen zum hintergründigen Thema Alltag.

Ich freue mich über jeden Klick und jeden Kommentar, über Rückmeldungen und neue Leserinnen und Leser. Doch rotsinn ist keine Massenware; das stelle ich fest. Einige Texte werden vom Netz aus jedoch öfters aufgesucht – Renner sind derzeit die Stichworte „Ungleichzeitigkeit“, „Tagespolitik“, „anekdotisches Wissen“, „vita contemplativa“, „Rituale und Routinen“ und seit neuem „konservatives Denken“.

Doch meist führe ich auf rostinn ein stilles, kontemplatives Weltdasein. Und das tut diesem ideengeschichtlichen Blog eines Laiendominikaners eigentlich ganz gut.

 

 

 

 

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Bloggen zwischen Sendungsbewusstsein und wissenschaftlichem Anspruch

Am letzten Tag des kürzlich in Hamburg zu Ende gegangenen Historikertags besuchte ich eine Session unter dem Titel „Schaufenster in die Blogosphäre: 2-Minuten-Präsentationen“ moderiert von Mareike König (Paris) und Karoline Döring (Innsbruck). Vorgestellt wurden verschiedene geschichtswissenschaftliche Blogs in (etwas mehr) als zwei-minütigen Präsentationen. Auf dem Blog von Teresa Winderl findet sich ein Bericht zu dieser Session.

Als absehbar war, dass aus den Reihen der eigentlichen TeilnehmerInnen des Historikertags – ich hatte mich eigens für die Sessions von extern dazu gesellt – keine weiteren Beiträge für die Session mehr zu erwarten waren, bot ich an, dass ich meinen Blog vorstellen könnte. Dieser läuft ja seit einiger Zeit unter dem Untertitel „ideengeschichtliches Blog“ – ein gewisser historischer Blick ist mir also durchaus ein Anliegen. Ich fühlte mich also nicht ganz fehl am Platz.

Bei meiner kurzen Präsentation fiel mir spontan ein, was meinen Blog von anderen vorgestellten – „streng“ wissenschaftlichen – Blogs unterscheidet. Es ist dessen Zwitterstellung zwischen Sendungsbewusstsein und wissenschaftlichem Anspruch.

Das religiös imprägnierte Sendungsbewusstsein kommt in meinem Blog immer wieder zu tragen. Das ist nicht zu verleugnen. Gleichzeitig erscheint es selten in Form einer „direkten Mitteilung“ (S. Kierkegaard). Vielmehr drückt sich das Sendungsbewusstsein dadurch aus, dass ich meine Themen aus dem meist unbewussten Bewusstsein heraus aufgreife, dass es mir irgendwie auch um die Wahrheit, um den Sinn, um das große Ganze, um die Wirklichkeit hinter unserer Wirklichkeit geht. So stelle ich es mir auf jeden Fall gerne vor … .

Dieses Sendungsbewusstsein wird in meinem Fall durch einen wissenschaftlichen Anspruch eingehegt bzw. kanalisiert. Bei der Session in Hamburg beschrieb ich diesen Anspruch, indem ich darauf verwies, dass es mir wichtig sei, mindestens ein korrekt ausgewiesenes Zitat in jedem Beitrag zu nutzen. Dieser Minimalanspruch – nicht immer durchgehalten! – erwächst auch aus dem Wissen, dass Ideengeschichte letztlich Arbeit an Texten bzw. mündlichen oder schriftlichen Debattenbeiträgen  ist. Daher kommt kein ideengeschichtlicher Text ohne Zitate aus, auch im virtuellen Raum. Dies korrespondiert mit der Unverzichtbarkeit von Quellen in den historischen Disziplinen überhaupt.

So wandle ich hier auf rotsinn seit 4,5 Jahren zwischen dem unabweisbaren Sendungsbewusstsein und dem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Das mag Leserinnen und Leser auf den beiden Seiten jeweils auf ihre Weise verstören. Doch das ist Teil dieses Projekts: ein Beitrag zu leisten zur positiven Irritation, Lockerung  und Dezentrierung festgetretener ideeller Sedimente.

Katholisch bloggen

Vor einigen Tagen erhielt ich folgende Nachricht:

Soeben in die Kath. Bloggerliste aufgenommen. Herzlich willkommen! http://www.bloggerliste.blogspot.de

So. Nun gehöre ich offenbar zu den katholischen Bloggern. Was auch immer einer darunter verstehen mag: Blogger, die das Kirchensteuermerkmal „rk“ auf der Lohnsteuerkarte haben? Blogger, die dem Papst jedes Wort vom Munde ablesen? Alternativ: Blogger, die sich an den Äußerungen des Papstes abarbeiten? Blogger mit Vorlieben für „smells & bells“? Blogger mit spiritueller Tiefe und/oder katholischer – im eigentlichen Sinne des Wortes – Weite? Oder einfach nur regelmäßige Messbesucher, die sich gelegentlich einmal mit ein oder zwei Gedanken im Netz verewigen?

Ich schreibe diesen Blog als Laiendominikaner. Für gewöhnlich sind Laiendominikaner katholisch. Das Schild um meine Blogger-Brust trägt aber bewusst – neben der Ideengeschichte – ein dominikanisches Signum und nicht zuerst ein katholisches. Für mich macht das mein Blogger-Dasein konkreter, handfester, zupackender. (Laien-) Dominikaner stehen für eine bestimmte Spiritualität, Tradition, Geschichte, Weltsicht. Katholiken nicht unbedingt. Auch wird in der katholischen Kirche gerne darum gestritten, welcher Flügel denn nun im eigentlichen, wesentlichen, wirklichen, wahrhaftigen Sinne katholisch ist. Dominikaner kennen diesen Streit meines Wissens nach nicht. Auf ihn möchte ich mich auch nicht einlassen.

Natürlich finden sich „katholische“ Elemente in meinem Blog: Ich schreibe über das Naturrecht. Ich schreibe über die Enzyklika des Papstes. Ich nutze Quellen aus der Geschichte des katholischen Denkens. „Katholisch“ bedeutet für mich aber vor allem eines: „sakramental“. Katholisch bloggen heißt also, bloggen in dem Wissen, dass in meinem Blick auf die Welt der Geist in den konkreten Dingen alltäglich wird. Ich blogge also in dem Wissen, dass nicht nur ab und an etwas Spirituelles Einzug hält in mein Leben und Werk. Der Geist hält vielmehr beständig Audienz im Königtum meines Alltags. Mein Denken und Handeln sind (idealtypisch gesprochen) mögliche Präsenzorte von Geist, virtuell und analog. Auch die Ideengeschichte ist ein solcher Ort.

Anderen „katholischen“ Bloggern diesen Geist abzusprechen, steht mir nicht zu. Überhaupt: Anderen Bloggern – katholisch oder nicht – zu unterstellen, sie wären nicht daran interessiert, in ihrem virtuellen Werk etwas Höheres, Meta-Physisches durchscheinen zu lassen, widerstrebt mir. Die Blog-Welt zeigt mir jedenfalls, wie vielfältig die Anliegen sind; wie zahlreich die Weltsichten; wie verschieden die Gesänge klingen, die von der Suche nach Wahrheit erzählen. Das ist so für die Welt der katholischen Blogger. Das ist aber auch so für viele andere, die im virtuellen Äther ihre kleine spirituelle und intellektuelle (beides gehört für Dominikaner zusammen) Nische suchen und finden.

Trotzdem würde ich mir von den katholischen Bloggern wünschen, sie würden etwas mehr nach außen schauen. Viele katholische Blogs machen einen introvertierten Eindruck. Sie beschäftigen sich vorrangig mit kirchlichen Themen. Sie erheben gar nicht erst den Anspruch, für den nicht katholischen Rest der Welt von Interesse zu sein. Doch „katholisch“ heißt gerade, sich die Weite zu eigen machen, ein Wagnis in der Ferne einzugehen und dieser gewagten Weite mit einer spezifischen – in meiner Zuspitzung: sakramentalen – Weltsicht zu begegnen.

Wenn dies dem einen oder anderen wieder zu kirchlich und zu vergeistlicht klingt, dem muss ich an dieser Stelle dann recht geben. Aber ich vollbringe hier ja auch nur eine Übung der reflexiven Selbstverständigung. Was wiederum das alltägliche Geschäft von zahllosen (katholischen und nicht-katholischen) Bloggern ist.

Dominikanische „Predigt“ im Netz

Folgender Text ist soeben erschienen in „kontakt – Freundesgabe der Dominikaner der Provinz Teutonia“ (2014). Die Leserinnen und Leser dieser Zeitschrift sind Mitglieder und Freunde der Dominikaner in Deutschland.

 

Welchen Dienst der Verkündigung kann ich – Laiendominikaner, Ehemann, Vater zweier Kinder, Arbeitnehmer, Eigentümer von Haus und Garten – sinnvoller Weise tun? Diese Frage stellte ich mir vor einigen Jahren, angeregt durch einen Besuch des damaligen Generalpromotors der Laien, fr. David Kammler, in Hamburg.

Verschiedene Erwägungen spielten bei meinen ersten Überlegungen eine Rolle: Ich wollte einen Verkündigungsdienst ausüben, der – v.a. in Bezug auf die Zeiten – möglichst familienfreundlich ist. Der Dienst sollte zudem meinen eigenen Ansprüchen von Reflexion und wissenschaftlicher Seriosität genügen. Er sollte ebenso deutlich von meiner Verwurzelung im Orden der Prediger Zeugnis ablegen, aber auch offen sein für den Dialog mit Menschen außerhalb des Ordens und der Kirche. Und der Dienst sollte sich bewusst mit Fragen von Wahrheit und Sinn auseinandersetzen.

Eine lange Liste! Doch letztlich fand ich einen (mehr oder minder) passgenauen Dienst: die Verkündigung im Netz in Form eines Blogs, eine Art Tagebuch im Internet. Diese Art von Verkündigung lässt sich jederzeit von zu Hause aus erledigen; sie kann – je nach eingestelltem Inhalt – auch eine kirchenferne Leserschaft erreichen und sie lässt sich durchaus auch wissenschaftlich-reflexiv gestalten.

Ich entschloss mich also einen Blog zu schreiben. Dieses Blog trägt den Titel „Rotsinn“ und den Untertitel „Das ideengeschichtliche Blog eines Laiendominikaners“ und ist seit April 2012 am Start (www.rotsinn.wordpress.com). Die Arbeit an dem Blog macht mir Spaß, meinen Leserinnen und Lesern hoffentlich Freude und hält mich wach, da ich stets nach interessanten Themen Ausschau halten muss. Diese Themen legen mein eigenes wissenschaftliches Interesse offen und eignen sich, so mein Anliegen, auch zum Dialog mit anderen Menschen.

Seitdem ich selbst meinen kleinen Beitrag zur Verkündigung im Netz leiste, schaue ich mir bewusst auch weitere virtuelle Angebote an: andere Blogs, Beiträge in den sozialen Netzwerken (z.B. Twitter), Netzseiten. Selbstverständlich achte ich besonders auf Angebote von Predigerbrüdern und –schwestern, besonders auch aus den Laiengemeinschaften.

Im englisch- und französischsprachigen Raum gibt es, im Vergleich zum deutschsprachigen Raum, sehr viele Angebote: einzelne Gemeinschaften stellen sich vor; wissenschaftliche Institutionen präsentieren ihre Arbeit; individuelle Brüder, Schwestern und Laien treten mit ihrem Anliegen an die virtuelle Öffentlichkeit. Es gibt Seiten mit Sammlungen von Predigten, Plattformen für kirchliche Neuigkeiten aller Art, offizielle Seiten von Provinzen und der Ordenskurie in Rom (www.op.org) und die Präsenz von Individuen und Gemeinschaften in den sozialen Netzwerken.

Mir fällt auf, dass die meisten Angebote dezidiert geistlicher Art sind: Meditationen zu Festtagen im Kirchenjahr, Berichte von Einkehrtagen, Vorträgen oder theologischen Kongressen, Betrachtungen über die Heilige Schrift. Solche und andere Angebote sprechen Menschen an, die schon kirchlich geprägt sind oder ein ausgesprochen Interesse an spirituellen Fragen haben. Dabei ist ebenfalls selbstverständlich, dass Dominikaner vor allem dominikanische Themen besetzen. Die Kommunikation im Netz dient also auch einer Selbstverständigung innerhalb des Ordens und einer Positionierung innerhalb der weltweiten Kirche. Die eingestellten Inhalte sind oft von hoher Qualität, spirituell und theologisch, in der sprachlichen Gestalt und der graphischen Aufarbeitung. Auch behandeln sie andere Meinungen und Weltanschauungen nicht abschätzig, ein im virtuellen Raum nicht zu unterschätzendes Markenzeichen.

Die Konzentration auf ausgesprochen kirchliche Inhalte hat aber auch zur Folge, dass der Dialog mit Anders- oder Nichtgläubigen wenig stattfindet. Dieser Dialog wird nicht dezidiert abgelehnt, durch die Themensetzung der virtuellen Angebote aber auch nicht wirklich möglich gemacht. Dabei bietet die Tradition unseres Ordens ein reiches Arsenal an Themen und Fragestellungen an, die für ein weites Publikum interessant sind.

Zwischen der Verkündigung unseres Ordens und den Menschen mit anderen Wertvorstellungen und Weltbildern sind Brücken notwendig. Deshalb würde ich es mir wünschen, wenn wir uns mehr an die „Ränder“ (Papst Franziskus) wagen. Dorthin, wo Pionierarbeit zu leisten ist und wir gezwungen sind, eigene Sicherheiten fahren zu lassen. Das Internet bietet hier einen wichtigen, aber auch herausfordernden Ort der Verkündigung, gerade für dominikanische Laien.

 

Zwei Jahre „Rotsinn“

Seit zwei Jahren gibt es Rotsinn, das ideengeschichtliche Blog eines Laiendominikaners.

Etwas Statistik:

In zwei Jahren erschienen 60 Blogeinträge, der erste davon am 14. April 2012 unter dem emphatischen Titel Anfänge.

Derzeit haben 49 Personen den Blog abonniert, die Tendenz ist (leicht) steigend.

Im Durchschnitt erhält Rotsinn 12 bis 14 Klicks am Tag. Gelegentlich sind es deutlich mehr – eine dreistellige Klickzahl erreichte ich aber nur an ein oder zwei Tagen in den vergangenen zwei Jahren – des Öfteren sind es aber auch wesentlich weniger. Insgesamt erhielt Rotsinn bis heute 8140 Klicks.

Der bei weitem beliebteste Eintrag handelt vom kontemplativen Leben, der vita contemplativa und wurde im Oktober 2012 veröffentlicht. Dieser Beitrag wurde seit seiner Veröffentlichung 980 Mal angeklickt.

Die meisten Leserinnen und Leser des Blogs kommen aus Deutschland und anderen deutschsprachigen Ländern, was bei einem deutschsprachigen Blog wohl unvermeidlich ist. Aus Deutschland gab es etwas mehr als 6000 Zugriffe, aus Österreich 230, aus der Schweiz 200. Andere Länder sind aber auch gut vertreten: USA 400 Zugriffe, Großbritannien 210, Australien 130. Stolz bin ich auf die Klicks aus dezidiert nicht westlichen Ländern: Taiwan 48, Brasilien 14, Indien 11, Ghana 3, um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen.

Es war in der Vergangenheit nicht immer einfach, motiviert zu bleiben beim Nachforschen und Schreiben. Die Arbeit an einem einzelnen Blogeintrag kostet Zeit. Ich versuche auf Schnellschüsse zu verzichten. Nicht die Tagesaktualität, sondern die – zugegebenermaßen subjektive – ideengeschichtliche Fundiertheit ist für eine Veröffentlichung bestimmend. Auch ist das Echo auf die Beiträge sehr unterschiedlich, mitunter auch enttäuschend. Das ist bei der Fülle an Angeboten im Netz aber nicht erstaunlich. In all dieser Vielfalt herrscht nämlich auch viel Einsamkeit, wie es Hans Ulrich Gumbrecht vor kurzem in der FAZ formulierte.

Rotsinn hat sich der Suche nach Wahrheit auf dem Gebiet der Ideengeschichte verschrieben. Diesem Anspruch möchte ich auch weiterhin treu bleiben, mit Ernsthaftigkeit, vor allem aber auch mit einem gehörigen Schuss (Selbst-) Ironie. Ein Mitdominikaner drückte es einmal so aus: „Nothing can really be said plonkingly, truth can only be conveyed ironically …“ (Herbert McCabe OP, God Matters 176).

 

 

H. D. Thoreau: ein früher Blogger

Vor 175 Jahren, am 22. Oktober 1837, schreibt Henry David Thoreau als erste Notiz in sein Tagebuch: „‚What are you doing now?‘ he (wahrscheinlich R. W. Emerson, B.C.) asked, ‚Do you keep a journal?‘ – So I make my first entry to-day.“ (Thoreau, H.D. 1981: Journal, Vol. 1: 1837-1844, Princeton University Press: Princeton, S.5.)

Und vor sechs Monaten, am 21. April 2012, begann ich mit eben dieser Notiz „Rotsinn“.
Nicht, daß ich denken würde, daß ich mit H.D. Thoreau gleich ziehen wollte oder könnte. Das wäre vermessen. Thoreaus Tagebuch füllt inzwischen mehrere sorgsam editierte Bände von enormer Länge. Thoreau nutzte sein Tagebuch als eine Art Werkheft für seine Veröffentlichungen. Dementsprechend gibt es zwischen dem Tagebuch und den von Thoreau zeit seines Lebens veröffentlichten Büchern viele Parallelen. Eigenplagiat könnte man so etwas heute nennen.
 
Was für Thoreau sein Tagebuch war, das ist für viele Menschen heute der Blog. Mit dem Unterschied, daß der Blog nicht erst posthum an die Öffentlichkeit geht, sondern unmittelbar Öffentlichkeit herstellt. Zum Guten oder zum Schlechten. Von daher kann man Thoreau etwas verstiegen als einen frühen Blogger bezeichnen. Damit hätte man eigentlich Grund genug heute auch den Weltblogtag zu feiern. Aber wahrscheinlich gibt es diesen ja schon längst.
 
Thoreau thematisiert in seinem Tagebuch das ganze Spektrum seiner Welterfahrungen: Reiseberichte, Naturerscheinungen, sein „Walden“-Jahr, philosophische Gedanken, Begegnungen mit den Großen und Kleinen seiner Zeit, Anmerkungen zur eigenen Lektüre, politische Notizen. Kurzum: Es sind Erfahrungen des Alltags eines gänzlich außeralltäglichen Menschen.
 
Das Tagebuch-Schreiben hat für Thoreau auch eine spirituelle Dimension. Am Mittwoch, den 13. Januar 1841 schreibt er: „We should offer up our perfect thoughts to the gods daily – our writing should be hymns and psalms. Who keeps a journal is purveyor for the Gods.“ (Thoreau, H.D. 1981: Journal, Vol. 1: 1837-1844, Princeton University Press: Princeton, S.220.)
 
Wo kämen wir hin, wenn jeder Blogger heute sein öffentliches Tagebuch so führen würde, wie Henry David Thoreau es vor 175 Jahren tat  …