Ich schreibe gerne Besprechungen von Büchern, vor allem Fachbüchern. Warum?
Ich lese die zu besprechenden Bücher aufmerksamer. Ich mache mir Notizen, versuche der Argumentation zu folgen, gebe mir Mühe die Thesen zu identifizieren, unterstreiche schöne Gedanken und halte kritische Punkte fest. Das Buch wird mit der Lektüre zu einem wahren Arbeitsgerät mit den entsprechenden Gebrauchsspuren. Dadurch bleibt längerfristig aber auch das eine oder andere bei mir hängen … .
Ich lerne die Arbeit anderer Menschen kennen und lade Dritte ein, es mir gleich zu tun. Daher schlage ich öfters auch Bücher zur Besprechung vor, die etwas randständiger sind. Mit dem Kennenlernen des Buches ist dann meist auch ein Schätzenlernen verbunden. Denn ich bemühe mich in aller Regel keine Bücher zu „verreißen“, sondern versuche vielmehr, das Anregende und Interessante hervorzuheben. Besprechungen sind für mich so etwas wie ein öffentlich gemachtes Interesse an den Werken anderer Menschen, auch dann, wenn Kritisches zu sagen ist. Beim Schreiben und Urteilen stelle ich mir innerlich vor, dass ich dem Autor oder der Autorin am nächsten Morgen beim Bäcker begegne; dann darf kein peinliches Schweigen oder gar ein Streit entstehen. Da bin ich hoffnungsloser Optimist und glaube an den Fortschritt durch konstruktive Kritik.
Ich lerne die hohe Kunst, eine Veröffentlichung in der weiten Forschungslandschaft zu platzieren. Jede Veröffentlichung hat einen Kontext, in dem sie erscheint und Zusammenhänge, auf die Bezug genommen wird. Als Rezensent ist es meine Aufgabe, nicht nur einen Inhalt wiederzugeben, sondern ich muss auch schauen, wie das Buch in die Landschaft passt. Besonders spannend wird es, wenn man bei Rezensionen das Fachgebiet wechselt. Dann kommt man nämlich schnell dahin, dass man Bücher nicht nur als Beitrag eines Faches liest und versteht, sondern darüber hinaus erkennt, dass das Buch auch für andere, interdisziplinäre Zusammenhänge ein wertvoller Beitrag sein kann.
Ich tue den Kolleginnen und Kollegen einen Dienst. Gewöhnliche Buchbesprechungen verhelfen einem nicht zu wissenschaftlichem Renommee. Aufgrund von Rezensionen erhält man keinen Ruf. Doch deshalb sollte man sie auch nicht verfassen. Vielmehr sollte man sich im Klaren darüber sein, dass viele Kolleginnen und Kollegen sich über die Besprechungen freuen, da sie so in die Lage versetzt werden, einen Überblick über ihr Forschungsfeld zu erlangen, ohne jedes Buch selbst lesen zu müssen. In diesem Sinne sind Rezensionen eine klassische Dienstleistung.
Ich erhalte das zu besprechende Buch umsonst. Vor allem bei wissenschaftlichen Fachbüchern, die schon einmal teuer sein können, ist das ein – ich gebe es gerne zu – nicht ganz uneigennütziger Vorteil.