Was wir nicht sehen. Gedanken zu einem Comic von Luke Pearson.

Was sehen wir? Und was nehmen wir nicht wahr? Wie sieht die Wirklichkeit aus, die wir zu erkennen meinen? Und wo müssen wir genauer hinschauen?

Wir sehen in unserem Alltag viel. Aber wir sehen auch viel nicht. Den Schneemann im Garten der Nachbarn; die Hecke verdeckt den Blick. Die alte Dame, die hinter einem Baum auf der Parkbank eingeschlafen ist. Die Heckenbraunellle in der Schlehe. Wir sehen auch nicht die Hoffnung im Herzen unseres Gegenübers. Wir sehen nicht das Vertrauen, das uns entgegengebracht wird. Der Windhauch, der uns aufleben lässt. Fast ist man versucht zu sagen: Wir sehen mehr nicht, als dass wir Dinge sehen.

Luke Pearson – Autor der bekannten Comic- und Netflixserie „Hilda“ – veröffentlichte 2011 mit dem schmalen Comic  „Everything we miss“ – 2014 unter dem Titel „Was du nicht siehst“ auf Deutsch erschienen – eine rätselhafte, tieftraurige, geheimnisvolle Kurzgeschichte. Ein Mann und eine Frau entfremden sich Schritt für Schritt voneinander. Dunkle Mächte ziehen sie auseinander. Die beiden verpassen im Anschluss leider auch ihre je eigenen Versuche der Versöhnung, der Wiederannäherung, der rückkehrenden Liebe. Sie sehen auch nicht die fremdartigen Kreaturen, die Luke Pearsons Geschichten oft bevölkern: den belebten Baum, die hellen und dunklen Geister der Nacht, die krappenartigen Tiere, die den Alltag der Menschen bevölkern und beobachten. So werden sie gefangen in ihrer eigenen resonanzlosen Isolation.

Was sehen wir? Und was nehmen wir nicht wahr? Wie sieht die Wirklichkeit aus, die wir zu erkennen meinen? Und wo müssen wir genauer hinschauen?

Oft sind es die Kinder, die mehr sehen. So ist es in den Werken von Luke Pearson. So ist es auch in unserem Alltag. Kinder erspüren z.B. die Hoffnung auf Großherzigkeit und Güte, die im Weihnachtsfest verborgen liegt und darauf wartet geweckt zu werden. Erwachsene müssen durch entsprechende Predigten erst wieder daran erinnert werden, dass da ein Mehr ist. Kinder wissen intuitiv: Welt und die Wirklichkeit sind mehr als wir sehen. Jedes geliebte Kuscheltier schreit diese Botschaft in die Welt hinaus. Was wirklich zählt, wird nicht gesehen. Was wahrhaft Sinn macht, wächst im Unsichtbaren, Unscheinbaren.

Luke Pearsons Charaktere wandeln durch ihre eigene Entfremdung. Und sie wandeln durch eine Welt, die in Wahrheit so anders ist, wie sie sie sich vorstellen. Was sehen wir? Und was nehmen wir nicht wahr? Wie sieht die Wirklichkeit aus, die wir zu erkennen meinen? Und wo müssen wir genauer hinschauen?

Schauen wir doch einmal hinter die Kulissen unseres Alltags. Welche Kräfte sind dort am Wirken? Kräfte der Finsternis, ja. Aber auch das: die ausgestreckte Hand, das freudige Lächeln, der erwartungsvolle Blick. Kraft, die uns nur Gutes möchte.

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