Am Anfang ist der Anfang – frei nach Hannah Arendt

Alles hat einen Anfang.

Das Leben hat einen Anfang. Die Schule hat einen Anfang. Das Studium hat einen Anfang. Die Liebe hat einen Anfang.

Manche Anfänge sind ganz klar als solche erkennbar. Das Geschrei des Säuglings. Die Schultüte. Der Umzug an den Studienort. Der berühmte erste Blick.

Andere Anfänge sind eher schleichend. Der eigentliche Beginn des Anfangs liegt im Dunkeln. Wann habe ich angefangen, Gedichte zu schreiben? Ich weiß es nicht. Wann habe ich angefangen zu beten? Ich weiß es nicht.

Hannah Arendt schreibt dazu: „Es ‚geschieht nicht Neues unter der Sonne‘, es sei denn, dass Menschen das Neue, das in die Welt kam, als sie geboren wurden, handelnd als einen neuen Anfang in das Spiel der Welt werfen.“ (Vita activa oder Vom tätigen Leben, 4. Auflage, München 2006, 259). Wir handeln also, und es geschieht etwas Neues, ein Anfang entsteht.

Alles, was einen Anfang hat, hat aber auch ein Ende. Auf eine Geburt folgt irgendwann ein Tod.

Das ist manchmal traurig, aber notwendig. Was wäre denn, wenn dauernd nur Gottesdienste anfangen würden, diese aber nie aufhörten?! Was wäre, wenn wir unsere Klausuren immer nur beginnen würden, diese aber kein Ende fänden?! Was wäre, wenn aller Menschen Leben in dieser Zeit unendlich wären?

Natürlich gibt es auch Dinge die aufhören, von denen wir uns wünschen, dass sie immer wieder neu anfangen könnten: die Liebe natürlich; die Freude am Glauben; aber auch die Gerechtigkeit auf der Welt. Es gibt Dinge, die sollten eigentlich nie ein Ende nehmen dürfen, so fühlen wir es.

Irgendwann – da kennen sich die Physiker_innen unter uns aber besser aus – macht auch einmal der Kosmos schlapp. Das können wir uns zwar nicht recht vorstellen, aber das heißt ja gar nichts. Was ist dann mit der Liebe, mit dem Glauben, mit der Gerechtigkeit?

Was anfängt und nie aufhört, davon ist der christliche Glaube überzeugt, ist diese Geschichte des Glaubens selbst, ist dieses sogenannte Evangelium, ist dieser Jesus Christus. Der Glaube glaubt, dass die Geschichte von Jesus Christus, deren Anfang wir in diesen Tagen feiern, nicht schlapp macht. Jesus Christus kommt nicht zum Ende.

„Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“, heißt es im Markusevangelium gleich zu Beginn.

Die Natalität – so Hannah Arendt – ist das Urbild eines neuschöpfenden Handelns. Es kommt etwas in die Welt, was die Dinge verändert. So geschehen mit Jesus Christus. Und der Glaube glaubt: Diese Geburt hat kein Ende. Dieser Anfang hört nicht auf. Diese neuschaffende Handlung ist der Anfang aller Anfänge. Und das macht mir Hoffnung in diesem besonderen Advent.

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