Politische Theologie, sei sie als theoretisches oder als praktisch-politisches Vorhaben verstanden, entsteht grundsätzlich in einer bestimmten Situation. Diese banale Feststellung ist weniger gewöhnlich als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Denn die Feststellung einer bestimmten Situation für das Entstehen von politischer Theologie impliziert mehrere Elemente:
Zum einen impliziert es eine Verwurzelung von politischer Theologie in einer bestimmten historischen Situation. Bei der Politischen Theologie handelt es sich nicht um ein geschichtstranszendentes Phänomen, sondern sie ist grundsätzlich mit einem historischen Kern ausgestattet. Dieser Kern wird im Argumentationsreservoir der Politischen Theologie wachgehalten. Jede politische Theologie reagiert auf bestimmte zeitgeschichtliche Konstellationen und antwortet diesen mit ebenso zeitgeschichtlich geprägten Argumenten bzw. Urteilen.
Die verschiedenen politischen Theologien verfügen dennoch über (mindestens) ein gemeinsames Strukturmoment. Denn die historische Situation wird von den politischen Theologen, zweitens, meist als eine Zeit der schwerwiegende Krise empfunden. Politische Theologie entsteht in einer Art kollektiven „Grenzsituation“ (Karl Jaspers), die Menschen, Völker und Staaten vor existentielle Entscheidungen zu stellen scheint. Dabei wendet sich gerade die anti-liberale politische Theologie gegen jede Mäßigung, Moderation und liberale Gesinnung in der Bearbeitung dieser Krise. Solche Mäßigung gilt dem anti-liberalen politisch-theologischen Bewusstsein als Abfall von der Wahrheit. So nachzulesen zum Beispiel bei Carl Schmitt.
Historizität und Krisenwahrnehmung fügen sich bei der Politischer Theologie, drittens, zusammen zu einer spezifischen „rhetorischen Situation“ (Hans Blumenberg). Die Rhetorik dieser Situation besteht aus einem Duktus der beständigen Überbietung. Dies führt dazu, dass sich Politische Theologie zumeist nicht in öffentliche Debatten einbinden lässt, die um eine Rationalisierung des Diskussionsgegenstandes bemüht sind. Die Argumentationsstruktur vieler Politischer Theologie verweist gerade auf ein anti-rationales Moment, das sich über die Faktizität des Geschehens erhebt bzw. erheben möchte. In diesem Sinne ist Politische Theologie von ihrer ganzen Anlage her post-faktisch.
Historizität, Krisenempfinden und Überbietungsrhetorik: Diese drei Zutaten sind bei vielen Spielarten Politischer Theologie vorhanden, seien sie anti-liberal oder nicht.
Der Ausdruck „Politische Theologie“ weist bereits in einer falschen Richtung. Es benennt ein Verständnis, das „politisch“ als Eigenschaftswort verwendet zu einem Hauptwort „Theologie“ (Rede von Gott), während die aktuelle politische Realität eben als „nicht von Gott“ empfunden wird (Krise).
Um Krisen (lokal und noch mehr global) lösen zu können bedarf es aber vorerst vernünftige Erforschung der Ursachen, zusammen mit anderen Völkern und Kulturen, Theologie kann ich im Hinterkopf haben, mein Glaube kann meine Motivation sein, aber ich muss bereit sein zur mit anderen Zusammenarbeit mit anderen, die nicht unbedingt an einen Gott glauben aber mit menschlichem Gewissen und mit Vernunft die Krise erkennen und Lösungsansätze finden.
Vielen Dank für Ihre Antwort und das Plädoyer für politischen Pragmatismus!
Genau gegen solchen Pragmatismus wendet sich ja gerade die Politische Theologie oft. Und da sind wir dann schon wieder mitten in der Debatte, um das Bestreben der Politischen Theologie zur rhetorischen Überbietung „normaler“, zu Kompromissen bereiter Politik.