Oft begegnet man der Ansicht, Politik und Religion ließen sich voneinander trennen. Oder die beschreibende Ebene wird in Richtung der normativen Ebene überschritten: Politik und Religion sollten ganz und gar voneinander getrennt werden. Claude Lefort hierzu: „Im Rahmen der Soziologie oder der politischen Wissenschaft handelt es sich hier um einen manifesten Tatbestand (…). Das Politische und das Religiöse werden als zwei getrennte Ordnungen von Praktiken und Relationen gesetzt“ (Claude Lefort 1999: Fortdauer des Theologisch-Politischen? Wien: Passagen-Verlag, S. 43).
Politik und Religion lassen sich aber nicht voneinander trennen. Es zu versuchen, wäre Unsinn. Was sich trennen läßt, sind die institutionalisierten Formen von Politik und Religion, also beispielsweise Staat und Kirche oder Parlament und Synode. Denn nur diese „Orte“ besitzen eine Schwelle, die man gegen den ungewollten Übertritt absichern kann. Diskurs- und Handlungsfelder, wie Politik und Religion sie darstellen, werden aber stets miteinander in Berührung sein und sich gegenseitig überlappen.
Sobald ein Parlamentarier die Schwelle einer Kirche übertritt, um privat zum Gottesdienst zu gehen, vermischen sich Politik und Religion. Dieser Kirchgang kann, wenn es die Umstände erfordern, zum Gegenstand politischer Diskussionen werden. Wenn ein Bundespräsident den Katholiken- oder Kirchentag besucht, vermischen sich Politik und Religion. Sobald ein gläubiger Mensch bei Parlamentswahlen ein Mandat erringt, kommen Politik und Religion einander nahe. Und das gleiche gilt für die konfrontative Begegnung zwischen den beiden Feldern, derzeit zum Beispiel in Laos und Vietam, früher in den Ländern des Warschauer Paktes. Denn eine Religionsgemeinschaft, die unterdrückt wird, wird dies, weil sie seitens des Staates als ein relevanter politischer Akteur angesehen wird.
Kirche und Staat kennen Schwellen, die die eine Institution von der anderen Institution trennen: Gebäude, Ämter, Schriftsätze, Titel. Politik und Religion kennen solche Schwellen nicht. Sie in Gedanken künstlich einzuziehen macht keinen Sinn.
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